Kürzlich überholte das investierte Marketingbudget im Mobile-Segment konventionelle Desktop Adds. Die Smartphonenutzung wächst weiterhin rasant und das Credo „Mobile First“ oder „Mobile Native“ sind keine Seltenheit in der digitalen Sphäre. So auch im Bereich Smart Home. Wenn man heute von Smart Home spricht, dann denkt man häufig an die Steuerung seines Hauses oder Teile der Haustechnik über seine Smartphone. Doch ist es das wirklich?
Echte Smartness entsteht nach Meinung der Autoren durch Lerneffekte, die viele Systeme heute noch missen. Smartness ist kein bloßes „Smart Meter“ und auch keine beliebige App, wie oft in der Immobilienwirtschaft proklamiert.
Die echte Smartness entsteht also durch die Kombination von Big Data Analytics, vernetzter Sensorik, also dem Internet of Things/Everything, Künstlicher Intelligenz für den Lerneffekt und der App, als Brücke zwischen Mensch sowie Maschine sowie ihrer inhärenten User Experience.
Maschinelles Lernen – Der Weg zur Smartness
Im Idealfall könnten beispielsweise die Daten des Außenthermometers mit den Heizgewohnheiten sowie der historisch aufgezeichneten Wohlfühltemperatur in den jeweiligen Räumen korreliert werden, um die Heizung bedarfsgerecht und automatisiert zu steuern. Die Verknüpfung von weiteren Datenpunkten wie Raumnutzung, Anwesenheit/Abwesenheit oder die Anzahl der im Raum anwesenden Personen, sollten ebenfalls in ein lernendes Modell einfließen. Dies dient beispielhaft für Smartness die im Smart Home, aber auch einem Smart Office oder gar der Infrastruktur, zum Einsatz kommen könnte. Es geht also darum die Nutzer verschiedener Gebäudetypen kennenzulernen ohne deren Privatsphäre zu stören und durch lernende Systeme Mehrwert zu bieten.
Commercial Real Estate – Wo bleibt dort die Smartness?
Im kommerziellen Real Estate Sektor ist bis dato relativ wenig passiert. Begriffe wie Ambient Assisted Living, ein Teilbereich des residential Smart Home Bereichs und Smart Home im Allgemeinen sind hier fehlbesetze Termini. Daher kann man hier den Begriff Smart Building oder Smart Office nutzen, da diese nicht von Technologiekonzernen geprägt wurden. Derzeit scheint es viel mehr, dass die intelligente Gebäudeautomation nicht zuerst im gewerblichen Immobilienbereich Einzug erhalten wird, sondern in der Wohnungswirtschaft.
Dies ist auch relativ logisch, da der Hauptnutzen der derzeit erreichten „Smartness“, neben Sicherheit und Energieeinsparung, doch sehr dem Komfort zugutekommt. In gewerblich genutzten Immobilien ist der Aspekt Komfort, noch, ein untergeordneter Aspekt. Im Gewerbebereich überwiegt doch eher die Energieeinsparung gegenüber dem Komfort. In fernerer Zukunft werden jedoch auch Raumschnittoptimierung durch Nutzerströme, Bewegungsmuster, Instandhaltungsvorhersagen, Gebäudesicherheit oder die Gebäudekommunikation mit Robotern eine wichtige Rolle spielen, sodass wir vielleicht tatsächlich von Smart Properties sprechen können werden.
Im Hier und Jetzt, steht die Smartness bei gewerblichen Projekten noch für bedarfsgerechte Beleuchtung, sonnenstand-gesteuerte Verschattung, Monitoring der Haustechnik oder zum Beispiel der Gebäudesicherheit. Komfort ist hier wenig im Fokus. Statt Komfort wird aber das Thema Effektivität betont.
Produktivität der Arbeit durch Smartness im Commercial Real Estate
Oft verkennen dabei Unternehmen und Projektentwickler das Potenzial von Produktivitätssteigung der Mitarbeiter durch „Smartworking“-Technologie, welche den menschlichen Biorhythmus gezielt unterstützt. So können beispielsweise durch Lichtfarbe, -helligkeit und Raumklimatisierung, Ruhephasen begleitet oder Aktivitätsphasen gefördert werden. Jeder Mensch hat Entspannungs- & Aktivitätsphasen. Sie wechseln sich ab und sind von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Die Gebäudeautomation unterstützt diese natürlichen Phasen. Je nachdem wann Ihre Mitarbeiter sich in einer aktiven Phase mit höherer Leistungsfähigkeit befinden, fördert helles, kaltweißes und flächiges Licht die Aufmerksamkeitsfähigkeit, kognitiver Leistungsgeschwindigkeit und Merkfähigkeit. Phasen der Entspannung werden durch warmweißes Licht und dezente Ausleuchtung unterstützt. Smartness entsteht hier durch Supervised Machine Learning. So können Mitarbeiter durch Feedback ein Trainingsdatenset anlegen und innerhalb von einem mittelfristigen Zeitraum einen intelligenten Arbeitsplatz individuell trainieren.
Bottleneck User Experience & Usability
Der Weg zur echten Smartness ist jedoch weit und komplex. Ein Fehler, der unbedingt vermieden werden sollte, ist unter anderem ein zu geringer Grad an Komplexitätsreduktion sowie eine schlechte User Experience beziehungsweise Bedienbarkeit. Wie in vielen komplexen Systemen liegt ein Problem nämlich darin, dass man nicht das schwächste Glied in der Kette betrachtet, sondern Usability meist mit der falschen Referenzgruppe, sprich technologie-affinen Menschen, testet. Ein Bottleneck ist daher die Anpassung der Usability an das schwächste Glied in der Kette, welches man durch Change Management/Open Innovation/Training auch auf ein „höheres Niveau“ bringen könnte.
Fazit – Smartness in greifbarer Nähe
Es sollten also Systeme eingesetzt werden, die so einfach wie möglich zu bedienen sind beziehungsweise welche selbständig im Hintergrund ablaufen, so dass gar keine Interaktion mehr erforderlich ist. In den Augen der Autoren bergen jedwede Art von Smart Properties immenses Potenzial. Jedoch, und das ist das A und O, muss zunächst eine fundierte Anforderungsanalyse sämtlicher Benutzergruppen mit einer möglichst hohen Fallzahl erstellt werden. Erst dann werden die Erfordernisse sowie Nutzungs- und Systemanforderungen deutlich. Auch muss sich die Immobilienwirtschaft von dem App-zentrierten Denken lösen und mehr an der Schnittstelle von Sensorik, Künstliche Intelligenz, Datenverarbeitung und User Experience agieren. In allen anderen Fällen ist die Technik aller Wahrscheinlichkeit nach zum Scheitern verurteilt.
Der Beitrag ist in der Zeitschrift “Immobilienzeitschrift” erschienen